Mit der Diätologin Andrea Zarfl habe ich darüber gesprochen, was es bedeutet, intuitiv zu essen und warum Kinder oft besser darin sind als Erwachsene. Außerdem haben wir uns darüber unterhalten, wie wir mit der phasenweise einseitigen Ernährung unserer  Kinder umgehen können.

Im ersten Teil ging es darum, was intuitive Ernährung überhaupt ist und warum sie für eine gesunde Ernährung manchmal sogar wichtiger ist als „Ernährungsregeln“. Wir haben weiters darüber gesprochen, was Eltern schon in der Beikost-Zeit beachten können, um den Grundstein für ein gesundes Essverhalten zu legen. Und auch die alltagstaugliche Umsetzung von Ernährungsempfehlungen wie den „5-am-Tag“ mit Kindern war Thema.

Im zweiten Teil schließen wir daran an und widmen uns unter Anderem der Frage, warum der Bauch manchmal noch Platz für ein Stück Kuchen hat, wenn das Gemüse nicht mehr hineinpassen will.

 

Theresa: Zu wissen, dass man mit einem abwechslungsreichen Speiseplan und einer stressfreien Atmosphäre bei Tisch auf dem richtigen Weg ist, kann Eltern sicher den Druck nehmen, wenn ihr Kind beim Essen wählerisch ist. Denn es heißt: nicht aufgeben, wenn eine Gemüse-Sorte schon zum dritten Mal nicht angerührt wurde, sondern weiter immer wieder anbieten, ohne das Kind zum Essen zu überreden. Und es gibt keinen Schuldigen, wenn die Liste der gegessenen Lebensmittel noch nicht allzu lange ist. Wichtig ist, über die Woche gesehen für Abwechslung zu sorgen und als Eltern mit gutem Beispiel voranzugehen.

Andrea: Das ist richtig, die Vorbildfunktion der Eltern ist hier sicher entscheidend. Statt Essensregeln zu verbalisieren: einfach tun! Wenn die Mama etwas isst, und zwar immer wieder, und wenn dem Papa etwas schmeckt, dann wird es für das Kind wahrscheinlich irgendwann interessant, zu probieren und es kommt vielleicht auf den Geschmack. Auch das Einbeziehen der Kindern in den Koch- und Einkaufsprozess ist sehr wertvoll. Mitzuentscheiden und das Lebensmittel von Beginn an kennenzulernen, statt erst auf dem Teller, kann zusätzlich helfen, Kinder für Gesundes und Gemüse zu begeistern.

 

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„Wichtig ist auch, dass Lebensmittel nicht als „gut“ oder „schlecht“, „gesund“ oder „ungesund“ bewertet werden.

Die Moral sollte bei Essensentscheidungen außen vor bleiben.“

 

Wenn man als Elternteil selbst keine gute Beziehung zum Essen hat oder diese Dinge selbst nicht mitbekommen hat als Kind, ist es sicher eine Herausforderung, das mit den eigenen Kindern umzusetzen und zu leben. Hier ist es ganz wichtig, dass man zuerst bei sich selbst ansetzt. Und so schwierig dieses Thema für manche sein kann, erlebe ich in meiner Praxis immer wieder auch total schöne Dinge. Wenn Klienten zum Beispiel zu mir kommen, um „intuitive Ernährung“ und eine „gesunde Beziehung zum Essen“ wieder zu erlernen, weil sie das ihren Kindern auch mitgeben möchten oder sich von ihnen vielleicht sogar etwas abschauen wollen.

 

Das ist schön und passt auch gut zu meinem Leitsatz „Ein gutes Vorbild bewirkt mehr als jede Regel“.  Ich denke außerdem, dass wir die Essenssituation nicht so losgelöst vom restlichen Alltag sehen dürfen. Du hast ja erwähnt, wie wertvoll gemeinsames Einkaufen und Kochen sein können. Das sehe ich genauso. Auch wenn ich gleich dazusagen möchte, dass das nicht täglich passieren muss. Denn unter Zeitdruck hat das vielleicht sogar den gegenteiligen Effekt.

Nicht nur dabei zu sein, sondern auch in gewisser Weise mitzuentscheiden ist für manche Kinder sicher auch ein Schlüssel zum Erfolg. Wenn beim Aussuchen des Outfits wichtig ist, dass nicht der von Mama ausgewählte Haarreifen genommen wird, ist das eine ganz normale Situation in der Autonomiephase. So kann es manchmal hilfreich sein, das Kind altersgerecht in die Essensplanung einzubeziehen.

 

„Ein gutes Vorbild bewirkt mehr als jede Regel.“

 

Eine Mutter hat sich vor unserem Interview beispielsweise gemeldet und gemeint, dass sie schon resigniert hat, weil ihr Kind gefühlt gar nichts isst (was die Auswahl betrifft) und das immer wieder ein Stressthema ist. Als Mutter und mit dem Hintergrund deiner Fachkenntnis würde ich dann zum Beispiel den Tipp geben, sich wirklich drei Tage einmal vorzunehmen, keinen Kommentar zum Essverhalten des Kindes zu geben. Also nicht zu kommentieren, wieviel gegessen wurde, warum das Gemüse nicht gegessen wurde, ob nicht noch ein bisschen mehr davon geht, und so weiter. Das bringt auch das Kind vielleicht ein bisschen aus dem Konzept, wenn es der Mama anscheinend „egal“ ist, ob, was und wieviel davon gegessen wurde. Und es ist ein Start, um Entspannung in das Ganze zu bringen.

Wenn ich da gleich einhaken darf. Das ist sogar sehr wichtig, dass wir nicht zu viel kommentieren und vor allem eben auch nicht vorschreiben. Wenn wir die Autonomie des Kindes durch Vorschriften zu sehr untergraben, dann nehmen wir das ins Erwachsenenalter mit und neigen auch später dazu, nach bestimmten Regeln zu essen. Dann darf ich zum Beispiel nur essen, wenn ich zuvor durch Sport etwas abtrainiert habe und es mir verdient habe. Dadurch entsteht ein innerer Konflikt und wir haben nach dem Essen ein schlechtes Gewissen oder vertrauen nicht mehr auf unsere Körpersignale.

 

Apropos, Körpersignale. Es mag vorkommen, dass wir einem Stück Torte nicht widerstehen können, obwohl wir satt sind. Oder dass ein Kind eine ganze Pizza verdrückt, während ein anderes Gericht vielleicht kaum angerührt wird. Ist das der so genannte Augenhunger, von dem du in unserem Vorgespräch erzählt hast? Magst du darauf vielleicht noch kurz eingehen?

Ja, gerne. Der „Augenhunger“ entspricht der achtsamen Ernährung. Für alle, denen Achtsamkeit kein Begriff ist: Achtsamkeit ist die Wahrnehmung von sich selbst. Das heißt man ist achtsam, wenn man ganz bei sich, seinen Bedürfnissen und Gedanken ist. Bei der achtsamen Ernährung gibt es sieben Hungerarten. Dazu gehören unter anderem der Nasenhunger, der Magenhunger, der Mundhunger oder der Augenhunger. Wenn uns die Oma zum Beispiel zum Essen eingeladen hat, kann es gut vorkommen, dass wir über den Hunger hinaus gegessen haben, weil wir es uns einfach gut gehen haben lassen. Vielleicht waren wir bereits gut gesättigt und dann hat Oma aus dem Kühlschrank noch eine selbstgemachte Torte geholt. Wenn wir die sehen und wissen, dass uns die immer so gut schmeckt, kommt der Augenhunger ins Spiel. Wir erfassen etwas mit einem unserer Sinne, in diesem Fall mit dem Auge, und dann hat auch noch das Stück Torte Platz. Das darf natürlich sein, wenn wir es bewusst so wollen. Das gehört dazu, bei uns Erwachsenen, wie auch bei Kindern.

 

Beim Beispiel mit der Pizza kann schon auch mitspielen, dass es die vielleicht nur sehr selten gibt und sie damit etwas ganz Besonderes ist. Vielleicht sogar eine Belohnung für eine gute Note oder Ähnliches. Und Belohnungsstrategien lösen wiederum andere Mechanismen in uns aus. Wenn es die Pizza nur sehr selten gibt, muss ich vielleicht so viel wie möglich davon essen. Schließlich weiß ich nicht, wann ich das nächste Mal eine Pizza bekomme.

 

Da möchte ich gleich anknüpfen und zum Thema Süßigkeiten überleiten. Und zwar würde ich gerne noch darüber sprechen, wie Eltern ihren Kindern einen gesunden Umgang mit Süßem mitgeben können. Auch wenn es sicher nicht den einen richtigen Weg gibt und es sehr individuell ist, wie man das Thema in der eigenen Familie handhaben möchte.

 

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Über Andrea Zarfl:

Andrea Zarfl ist Diätologin und Expertin für intuitives Essen. Sie ist davon überzeugt, dass Essen in erster Linie Freude bereiten soll und keine Schuldgefühle verursachen darf. Stress oder schlechtes Gewissen haben bei Tisch keinen Platz. Neben ihrer Passion anderen Frauen auf ihrem Weg in Richtung intuitive Ernährung zu begleiten, kreiert sie aus Leidenschaft neue Rezepte, die sowohl Körper als auch Seele guttun. Weil sie außerdem der Meinung ist „Wissen ist Macht“, erscheinen auf ihrer Webseite neben den Rezepten regelmäßig Artikel über Gesundheit, Stoffwechsel und intuitive Ernährung – damit zukünftig jeder selbst die vielen Falschaussagen im Bereich Ernährung und Gesundheit entlarven kann. Weitere Infos und Tipps von Andrea findest du auf ihrem Instagram Account @dietitian.andrea

 

Über Theresa Culligan:

Als Ernährungstrainerin, Mutter und Gründerin von AUSGEWOGENgut ist mir die alltagstaugliche gesunde Familienküche ein besonderes Anliegen. Dazu gehören für mich neben Anregungen zur Lebensmittelauswahl auch Tipps für zeitsparendes Kochen sowie die Entwicklung gesunder und zugleich schmackhafter Rezepte, die Eltern und Kinder glücklich machen. Mit meinem Blog gebe ich wissenschaftlich fundiertes Wissen wie auch Erfahrungen weiter, die dabei helfen sollen, eine gesunde Ernährung praxistauglich im Alltag mit Kindern umzusetzen. Weiters gebe ich mein Wissen rund um eine gesundheitsfördernde Ernährung in Form von Vorträgen und Workshops weiter und biete Online-Angebote wie das Wochenplan-Abo mit gesunden Blitzrezepten für Groß und Klein an. Einen Überblick über alle aktuellen Angebote gibt es hier >>

 

 

 

Sämtliche Anregungen ersetzen keine individuelle Ernährungsberatung und dürfen keinesfalls als persönliche, ernährungsmedizinische Empfehlung betrachtet werden.